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Meister des Jägerlateins
Wenn der Schnee meterhoch liegt, der Sturm heult, und die Eiszapfen von den tiefverschneiten Hausdächern hängen, dann heisst es im Mariazellerland: Das wäre ein Wetter für den "Jaga Mandl". Der Anton Mandl, so hieß der "Jaga Mandl" mit gebürtigem Namen, war um die Wende zum 20. Jahrhundert eine landauf, landab bekannte- fast ist man versucht zu sagen,  legendäre Kultfigur  seiner Zunft. Für das Wild ein umsichtiger Heger, für die -meist adeligen - Jagdgäste ein unterhaltsamer und begnadeter Meister des "Jägerlateins", sogar auf Postkarten verewigt, auf denen er- und seine "Abenteuer" illustriert abgebildet waren (siehe Bild links).
Wer eigentlich war dieser Mensch, und was machte ihn so bekannt dass man vom ihm  Postkarten, umrahmt von seinen bekanntesten Lügengeschichten, druckte? Mit ziemlicher Sicherheit steht fest, dass der Anton Mandl im Jahr 1834 in Weichselboden zur Welt gekommen war. Weichselboden, am nördlichen Abhang des Hochschwabmassivs im Salzatal gelegen, und noch vor einigen Jahrzehnten Versuchs- und Jagdgebiet Erzherzog Albrechts von Bayern, war- und ist nicht nur eine felsige, waldreiche- sondern auch sehr wildreiche Gegend. Kein Wunder also, dass der junge Mandl auch Jäger wurde. Er trat in die Dienste des Grafen Meran (Sohn des Erzherzog Johann und Revierbesitzer), wo er schon bald - nicht nur wegen seiner Jagdgeschichten - als tüchtiger  Jäger Ansehen erlangte.
Der "Jaga Mandl" war ein untersetzter Mann mit struppigem Vollbart und pfiffig blickenden Schalksaugen, der nicht nur den Fremden etwas "vorlateinerte", sondern auch seinen Jägerkollegen manch lustigen Streich spielte. Das Jägerhaus im sogenannten "Waldsiedl", einem (damals) einsamen Seitental, unmittelbar neben dem Salzafluß am Fuße der Mariazeller Staritzen diente ihm als Heimstätte. Tierliebe, das richtige Gespür zur Kreatur,  innige Verbundenheit zur Heimatscholle, ein gesunder Hausverstand, verbunden mit dem Talent  ganz einfach spannende Jagderlebnisse zu erfinden, mit Tatsachen zu verweben , ähnlich der Geschichten des Baron Münchhausen, das wird wohl seinen Bekanntheitsgrad ausgemacht haben.  Berühmtheit erlangte er mit diesem Foto Kuss Bild aus dem Jahre 1910, an hand dessen er beweisen konnte, dass nicht nur  Jägerlatein kreiert wurde, sondern die Hege der ihm überantworteten Wildtiere sehr wohl eine gewisse Vertrauensbasis geschaffen hatte, dass ihm der Hirsch "Hoiserle" doch tatsächlich ( was übrigens vorher als reine Lügengeschichte bezeichnet worden war) die Kästn (Roßkastanie) aus dem Mund äste. Wie überhaupt die eher ungewöhnliche Fütterungsmethode des "Jaga Mandl" jedes Mal zahlreiche Schaulustige anlockte, staunend zur Kenntnis nehmend, wie zutraulich das ansonsten äußerst scheue Rotwild seinem Heger begegnete. Mit dem "Kästn-Hefen" (Wildkastanien in einem Blecheimer) "läutete" er das Wild zu den Fütterungen, indem er den halbgefüllten Blecheimer scheppernd hin und herschwenkte. Sein lauter Ruf "Hoiserle, Hoiserle" war den Wildtieren wohlvertraut. Scharenweise liefen Hirsch und Reh zum "Jaga Mandl" und zur Fütterung.
Mit dem "Jaga Mandl" füttern zu gehen, war unter den Gästen des Mariazellerlandes (damals schon meist wohlhabende Wiener Geschäftsleute) eine besondere Attraktion. Der Weidmann zeigte ihnen, wie ihm die Hirsche buchstäblich vom Mund fraßen. Er nahm Brot oder Kastanien zwischen die Lippen, die Hirsche ästen das so dargeboten Futter vorsichtig vom Mund des "Jaga Mandl".
Spannend und lustig wurde es für die vielen Besucher, wenn der schrullige Jäger hinterher in der warmen Jägerstube bei Kornbrot und "Gamsbutter" sein Jägerlatein auftischte. Unter dem Gejohle seiner ungläubig zuhörenden Gäste erzählte er von seinen Begegnungen mit dem "Bärfisch", einem seltsamen Tier, das den Oberkörper eines Braunbären, hingegen den Unterleib eines Fisches hatte. Sprechen hatte er auch können, der "Bärfisch". Doch, wo das Fabelwesen seine Höhle hatte, wollte der schlaue Jäger nicht verraten. Oder wie er den Hirschen, weil diese auf den Steilhängen des Hochschwabs und der Staritzen immer abrutschten, während des bergaufkletterns Eisen an ihre Hufe heftete. Wie er bei den Hirschkühen als Hebamme diente, mit Braunbären um die Wette auf Bäume kletterte, und mit seinem Stachelstecken (Holzstab mit Eisenspitze) wie eine Hexe über Schluchten und Abgründe ritt. War sein "Latein" etwas zu dick aufgetragen dass die Zuhörerschaft Zweifel anmeldete, dann meinte er immer lakonisch: "Braucht's es eh net glauben!"
Der "Jaga Mandl" war zu der damaligen Zeit jedermann ein Begriff, doch weiß niemand so recht, wo er eigentlich seinen Lebensabend verbracht hat. Fest steht, dass er am 23. Februar 1873 in Mariazell eine gewisse Konstantia Schaumberger ehelichte. In seinen alten Tagen soll er angeblich zu seiner Tochter in die Untersteiermark gezogen sein, wo er zu Beginn des Ersten Weltkrieges starb.
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